Hülben (red) – Das gesteckte Ziel der Präventionsstelle des Polizeipräsidiums Reutlingen, die Zahl der Motorradunfälle auf Null zu bringen, ist in weite Ferne gerückt. Dies stellte Polizeioberkommissar Thomas Steigenberger am Aktionstag in Hülben konsterniert fest. „Im Gegenteil, die Zahl der Verkehrsunfälle mit Motorrädern ist eher gestiegen.“ Er führt dies auf die zunehmende Verkehrsdichte zurück. „Wer dann auf der Schwäbischen Alb unterwegs ist, den verlocken die freien Straßen schnell mal zum Rasen.“ Vor allem Fahranfänger und junge Biker überschätzten sich oft, klagt der Präventionsbeauftragte. „Wer mit dem Motorrad unterwegs ist, muss trainiert sein“. Damit spricht Thomas Steigenberger vor allem die Zeit nach der Winterpause an. „Auf der Straße kommt es auf die Blickführung und das Handling des eigenen Bikes an.“ Er empfiehlt den Motorradfahrern viel praktisches Training auf dem Motorrad, wahlweise bei einem Fahrsicherheitstraining. „Dort werden das langsam fahren, der Bremsvorgang – auch in Schräglage sowie Kurven- und Ausweichtechnik vermittelt. „Mit Beginn der Motorradsaison sollte jeder sein eigenes „Warm Up“ durchführen und auf verkehrsarmen Straßen üben.“ In der letzten Zeit haben sich Unfälle immer wieder wegen zu dichtem Auffahren ereignet, wie der Polizeioberkommissar weiß. „Dabei entstehen Schrecksituationen, es wird daraufhin zu schnell gebremst oder der Biker gerät auf die Gegenfahrbahn.“ Oder wie erst kürzlich in Kirchheim unter Teck: „Oft werden Motorradfahrer schlichtweg von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen.“
Balance und Reaktion
Aus diesem Grund veranstalten die Beamten des Polizeipräsidiums in regelmäßigen Abständen Aktionstage und verstärken die Kontrollen durch eigene Motorradstreifen. „Es bringt nichts, den Verkehrsteilnehmern Vorträge zu halten. Erst wenn sie praxisnah feststellen, dass doch nicht alles so perfekt ist, wie man denkt, werden einige nachdenklich.“ Zusammen mit der Kreisverkehrswacht Reutlingen-Münsingen, dem DRK Hülben und den Motorradfreunden Lila bot die Polizei den Bikern an verschiedenen Ständen die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten zu überprüfen. Auf einem Balanceparcours konnten Motorradfahrer die vorausschauende Bewegungsweise und Geschicklichkeit testen und gleichzeitig mit einer Rauschbrille erleben, wie es ist, wenn man alkoholisiert auf dem Bike unterwegs ist. Thomas Steigenberger: „Wir wollen nicht mit Fingern auf die Biker zeigen, sondern in die fachliche Diskussion und Beratung einsteigen.“ Von elf bis 17 Uhr konnten daher die Motorradfahrer nebst hilfreichen Tipps der durchführenden Institutionen auch ausführliches Informationsmaterial bekommen. Am Aktionstag im Rietelaugelände nahmen auch Polizisten teil, die beruflich oder privat Motorrad fahren. Diese haben auf ihren Maschinen schon einiges erlebt und sind sich sicher: „Freude am Fahren und Sicherheit sind kein Widersprich – ganz im Gegenteil.“
Praxis statt Theorie
„Nur erzählen bringt nichts“, behauptet Thomas Steigenberger. „Die praktischen Versuche zeigen deutlicher auf, was auf der Straße los ist.“ Deshalb gehen die Polizisten in den Landkreisen Reutlingen, Esslingen und Tübingen in die Berufsschulen und weiterführende Schulen. Dort stehen die Themen Alkohol, Drogen und Geschwindigkeit auf dem Tablett. „Viele jugendliche überschätzen sich bei der Geschwindigkeit oder im Umgang mit Multimediageräten während der Fahrt.“ Auch der Drogenkonsum ist immer wieder für Unfälle verantwortlich. „Die synthetischen Drogen sind immer noch stark verbreitet. Diese machen nicht nur schnell und stark abhängig, sondern führen rasch zu geistiger Abwesenheit im Straßenverkehr.“ Nicht zuletzt aus dem Grund gibt es am 17. Juli im Reutlinger Berufsschulzentrum den landesweiten „No Game“-Aktionstag. Dort werden junge Fahrer im Alter von 18 bis 24 Jahren angesprochen. „Diese sind überproportional an Unfällen beteiligt“, weiß Steigenberger. Obwohl viele Biker bei der Hitze darauf verzichteten, sich in die schützende Lederkluft zu zwängen und auf dem Bike unterwegs zu sein, will die Präventionsstelle der Polizei weiterhin aktiv auf die Motorradfahrer zugehen und weiter für eine sichere Fahrweise auf zwei Rädern werben.